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Wer hat auf der Einfädelspur Vorfahrt? Rechtsanwalt Held klärt auf.

„Das Auto ist der Deutschen liebstes Hobby.“ Dies ist ein Ausspruch, dem wohl die meisten Menschen zustimmen werden. Ob aus Spaß am Fahren oder aus beruflichen Gründen verbringen wir viel Zeit auf den Straßen Deutschlands und Europas. Rund um das Thema Auto und Verhalten auf den Straßen bleiben aber noch immer viele Fragen offen, zum Beispiel zum Verhalten im Stau oder zur der Verwendung der Lichthupe. Dieser Beitrag von Rechtsanwalt Alexander Held wird Ihnen helfen, ihre Fragen zu beantworten.


1. Die „Einfädelspur“ der Autobahn oder „andere Autofahrer müssen Platz zum Einscheren machen“

Sinn und Zweck des Beschleunigungsstreifens – umgangssprachlich Einfädelspur genannt – ist es, das eigene Fahrzeug auf den fließenden Verkehr anzupassen. Konkret soll auf dem Beschleunigungsstreifen eine vergleichbare Geschwindigkeit der restlichen Teilnehmer am fließenden Verkehr erreicht werden. Ziel des Ganzen ist es, dass die anderen Verkehrsteilnehmer durch auf die Autobahn oder Bundesstraße auffahrende Fahrzeuge nicht beeinträchtigt werden.

Vielfach hält sich in diesem Zusammenhang das Gerücht, die Verkehrsteilnehmer des fließenden Verkehres müssten dem Auffahrenden Platz machen, damit dieser auf die normalen Spuren wechseln könne. Dieses Gerücht ist jedoch falsch. Die Vorfahrt hat immer der fließende Verkehr. Verkehrsteilnehmer des fließenden Verkehrs sind deshalb nicht verpflichtet, einscherenden Fahrzeugen Platz zu machen, um deren Einscheren zu ermöglichen. Sie müssen weder abbremsen noch auf die Überholspur wechseln. Somit bleibt die Pflicht der Rücksicht beim Einscherenden. Dieser muss zur Not sein Fahrzeug auf dem Beschleunigungsstreifen abbremsen, anhalten und auf eine Lücke zum Einscheren warten.


2. Die Crux mit dem Reißverschluss

Autobahnbaustellen kosten Autofahrer regelmäßig viele gute Nerven und wertvolle Zeit. Gerade jene, die beruflich auf der Autobahn unterwegs sind, leiden unter Staus und dauerndem Stop-and-go. Viele Verkehrsteilnehmer fühlen sich besonders herausgefordert, wenn andere Verkehrsteilnehmer sich nicht langsam durch den Stau quälen, sondern bis zum Ende der blockierten Fahrspur an allen anderen vorbeifahren und sich dann vorne auf die verbliebene Spur „drängeln“.

Aber wer befindet sich dabei im Recht? Der vermeintliche „Reindrängler“ oder der „brave“ Verkehrsteilnehmer, welcher sich fein einreiht und wartet?

Die Rechtslage ist hier völlig klar, auch wenn sie zu Unverständnis führen mag. Der Verkehrsteilnehmer, welcher bis zum Ende der Spur fährt, um sich dort einzuordnen, handelt richtig! Bei dem weit verbreiteten Verhalten und Glauben, man müsse die Fahrspur so früh wie möglich wechseln, kann man von einem der größten verkehrsrechtlichen Irrtümer überhaupt sprechen! Dieser führt leider oft genau zu den so unbefriedigten Stausituationen, die unser aller Nerven so belasten.


Aber wie sieht die Rechtslage ganz konkret aus?

In § 7 Abs. 4 der Straßenverkehrsordnung (StVO) findet sich das dort auch so bezeichnete Reißverschlussprinzip. Bei diesem gilt tatsächlich folgende Regel: „Ist auf Straßen mit mehreren Fahrstreifen für eine Richtung das durchgehende Befahren eines Fahrstreifens nicht möglich oder endet ein Fahrstreifen, ist den am Weiterfahren gehinderten Fahrzeugen der Übergang auf den benachbarten Fahrstreifen in der Weise zu ermöglichen, dass sich diese Fahrzeuge unmittelbar vor Beginn der Verengung jeweils im Wechsel nach einem auf dem durchgehenden Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug einordnen können (Reißverschlussverfahren).“

Aus dem Juristendeutsch übersetzt heißt dies: Verengen sich zwei Fahrspuren zu einer, müssen Autofahrer bis zum Ende der Spur fahren und dort in den Verkehr auf den verbleibenden Spuren einfädeln.

Dabei ist zu beachten, dass die Verkehrsteilnehmer auf der freien Spur keine Vorfahrt haben, sondern jeweils einen Autofahrer von der anderen Spur zwingend hineinlassen müssen.

An Autobahnbaustellen und anderen Straßenverengungen verkennen also viele Verkehrsteilnehmer die tatsächliche Rechtslage. Die Straßenverkehrsordnung (StVO) besagt deutlich, dass es nicht erlaubt ist, die Fahrspur schon frühzeitig zu verlassen bzw. zu wechseln. Daraus ergibt sich auch das Gebot, die anderen Verkehrsteilnehmer einscheren zu lassen. Wer hierbei am Ende der Spur anderen Autofahrern das Einfädeln erschwert oder gar versagt, verstößt gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO).

Leider sorgt die falsche Auslegung dieser eindeutigen Regelung immer wieder für zahlreiche Staus und tragische Unfälle. Ein Spurwechsel schon auf der Höhe der Ankündigungsbeschilderung sollte unterbleiben, um den Verkehrsfluss nicht zu beeinträchtigen. Wer dies berücksichtigt, vermeidet so die Entstehung so mancher langen Staus.


Wer direkt bis zum Ende gescrollt hat, sollte zumindest noch diese kurze Zusammenfassung berücksichtigen: Gewechselt wird die Spur nicht so früh wie möglich, sondern erst unmittelbar im Endbereich des Fahrstreifens!




Autor: Rechtsanwalt Alexander Held, Fachanwalt für Straf- und Verkehrsrecht

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